schön
das problematische verhältnis der moderne zum schönen ist hinlänglich bekannt. im 20. jahrhundert verlor die schönheit sowohl für die künstler als auch in der kunsttheorie ihren rang als positiver leitbegriff. um die jahrhundertmitte betrachtete barnett newman den wunsch, die schönheit zu zerstören, gar als hauptimpuls moderner europäischer kunst. er meinte damals, die zeit sei reif, dass sich die amerikanische kunst von der europäischen (anti-)schönheits-obsession verabschiede und sich stattdessen am erhabenen orientiere.1 nicht nur das erhabene machte dem schönen den rang streitig, sondern auch das lächerliche, grausame, absurde, hässliche und deren derivate.2 in adornos 1970 veröffentlichter „ästhetischer theorie“, die für die unverzichtbarkeit des freilich durch seine negation gebrochenen schönen eintritt, ist zusammenfassend davon die rede, dass die bestrebungen der kunst der letzten 20 Jahre in einer „krisis des schönen“ konvergierten.3
jenseits des horizonts von adornos ästhetik bahnte sich freilich schon in den 60er jahren v.a. durch die rezeption von populärkultur ein neues verhältnis zum schönen an.
und seit den 1990er jahren, in denen auch zogmayer mit seiner thematisierung von „schön“ begann, mehren sich die anzeichen für eine wende. das reich der schönheit wird nicht mehr einfach der warenästhetik und werbung, kommerziellem film und design, der schönheitschirurgie, mode und erotikindustrie überlassen. die bildende kunst und damit verbundene theoretische diskurse beginnen es erneut zu besiedeln.4
angesichts des milliardenschweren schönheits-kommerzes, der auf dem rücken hässlicher armut boomt, ist die aus der ersten moderne tradierte kritik immer noch aktuell und bleibt für die gegenwärtigen kunst-produktionen relevant. aber schönheit hört allmählich auf ein tabu-thema der kunstszene zu sein. es kommt immer häufiger zu positiven bezugnahmen auf sie und die zeitgenössischen möglichkeiten ihrer hervorbringung.5 in kulturwissenschaft und kunsttheorie werden darüber hinaus die universalität der schönheitserfahrung und die differenzen im schönheitssinn unterschiedlicher kulturen diskutiert.6
das schöne meldet sich also zurück, wobei die meinungen darüber, worin das rätselhafte schönsein des schönen beruhe, wie eh und je vielfältig sind. welche position vertritt leo zogmayer in dieser frage?
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1 angestossen durch die von barnett newman beeinflußte kunstphilosophie lyotards wurde die ästhetik des erhabenen in den 1980ern zum modethema im kunstdiskurs, bevor allmählich das schöne wieder aus der versenkung auftauchte.
2 siehe günter rombold: die krise des schönen. die anderen kategorien der modernen kunst, in: reinhold esterbauer (hrsg.): orte des schönen. phänomenologische annäherungen (für günther pöltner zum 60. geburtstag), würzburg 2003, 327-349.
3 theodor w. adorno: ästhetische theorie, gesammelte schriften bd. 7, frankfurt/m. 1970, 85.
4 eine der ersten wortmeldungen dazu war dave hickey: the invisible dragon. four essays on beauty, los angeles 1993. siehe zur wiederentdeckung der schönheit in den 1990er jahren die zusammenfassende aufsatzsammlung von bill beckley, david shapiro (hrsg.): uncontrollable beauty. toward a new aesthetics, new york 1998 sowie elaine scarry: on beauty and being just, princeton 1999. eine wichtige neuere erscheinung zum thema ist etwa die arbeit von altmeister arthur c. danto: the abuse of beauty: aesthetics and the concept of art, peru 2003.
5 indizien dieses wandels waren im deutschsprachigen raum die gruppenausstellungen „beauty now“ im münchener „haus der kunst“ 1999 und 2005 „über schönheit“ im berliner „haus der kulturen“. roger m. buergel erregte vor kurzem einiges aufsehen mit dem statement, die kommende documenta 12, deren künstlerischer leiter er ist, solle schön werden.
6 z.b. intepretiert crispin sartwell: six names of beauty, london 2004 die namen der schönheit in sechs verschiedenen kulturen.